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Redox
Exhibition: 12 Jun – 24 Jul 2010
Die Hamish Morrison Galerie freut sich, die Ausstellung „Redox“ mit neuen Arbeiten des Künstlers Erik Niedling zu präsentieren. Dies ist Erik Niedlings zweite Einzelausstellung in der Hamish Morrison Galerie.
Mit der Serie „Redox“ führt Erik Niedling seine Arbeit über den Transfer von Informationen fort. Im thematischen Anschluss an seine vorangegangene Fotoarbeit „Formation“, bestehend aus Fotografien von Glasnegativen der Neuen Sachlichkeit, fragt Niedling auch in „Redox“ nach dem Wesen des Dokuments, seiner archivierenden Funktion, seiner Bedeutung heute und seiner Zukunft in einer digitalen Welt.
Die 19 Fotografien der Serie „Redox“ scheinen auf den ersten Blick auf große schwarze Flächen reduziert zu sein. Bei näherem Hinsehen jedoch gelingt es, subtile Lichtreflexe, feine Modulationen und ungeordnete Bewegungen auszumachen, die keinem System zu folgen scheinen. Der aufmerksame Betrachter erkennt schließlich einzelne Buchstaben, manchmal Wörter, selten sogar ganze Sätze. Diese Fragmente sind wie Teile eines Manuskripts, Überreste von Informationsträgern, die nicht mehr vollständig wahrnehmbar und kaum mehr entzifferbar sind. Wenn die Information entschwindet, erlischt auch die Erinnerung.
Die bizarren Formen, die manchmal an Blütenblätter erinnern, sind in Wirklichkeit Asche. Erik Niedling hat internationale Tageszeitungen gesammelt, diese nach Ressorts und Themen geordnet und danach einem systematischen Verbrennungsprozess zugeführt. Die chemische Reaktion der Verbrennung, die der Serie ihren Namen gab, ist Zeuge der Fragilität der Erinnerung als Träger von Ideen und Bildern.
Die Fotografie – als Medium zur Speicherung von Bildern, zur Reproduktion, Multiplikation und Archivierung – eröffnet in Niedlings Bildern eine neue Dimension von Vergänglichkeit, indem sie den radikalen Verfall der Information aufhält und das Problem der Konservierung von Erinnerungen auf ein anderes Medium überträgt.
Wie benutzen wir diese Daten und wie sieht ihre Zukunft aus? Während die meisten Bibliotheken ihre Bestände nach und nach digitalisieren, thematisiert Erik Niedling diese legitime Paranoia mit einer gewissen Ironie, indem er bereits verlorene Informationen fotografiert, die sehr subtile plastische Zeugen des Unvermeidlichen sind: des graduellen Verlustes von Erinnerung. Ein Windhauch scheint die verkohlten Papierstücke anzuheben, als ob eine innere Kraft gegen das Vergessen und die Gefahr des Vergessens aufrufen möchte.
Das komplexe Schwarz der Serie „Redox“ fungiert als mentale Projektionsfläche, die der menschliche Geist aufgrund des ihm eigenen „horror vacui“ immer zu füllen versucht. Durch ihre Tiefe und ihre Textur stimulieren und reaktivieren die Fotografien Niedlings unsere Erinnerungen. Die Asche und die wenigen Informationen, die der Zerstörung entrinnen konnten, agieren nun wie eine Wiederbelebung des Wissens.
Erik Niedling wurde 1973 in Erfurt geboren. Seine Fotografien wurden bereits in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland gezeigt, u.a. im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und im Angermuseum Erfurt. Im Rahmen seiner Einzelausstellung "Formation" in Berlin erschien 2008 ein umfassender Katalog im Hatje Cantz Verlag. Erik Niedling lebt und arbeitet in Berlin.