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Durch die Nacht mit ... Marina Abramovic und Ismael Ivo
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Körperliche und seelische Grenzerfahrung sind zentrales Thema der Performance- und Videokünstlerin Marina Abramovic. Ihr eigener Körper dient dabei als Medium und taktile Oberfläche und ihre Aktionen führen oft zur physischen Erschöpfung und Selbstgefährdung. Sie leitet sie her aus dem Prinzip persönlicher Konfrontation wie sie zwischen den Geschlechtern erlebt wird und aus den Erfahrungen politischer Gewalt, mit der sie in ihrem Heimatland Jugoslawien unter Tito früh in Berührung kommt. Nach dem Studium der Malerei debütiert die 1946 in Belgrad geborene Abramovic als Performance-Künstlerin und ritzt sich mit einer Rasierklinge einen kommunistischen Stern als blutige Chiffre in den Bauch. Auf dem radikalen Weg, dass die Frage der Kunst eine Frage von Leben und Tod sei, erlebt sie kurz nach ihrer Ausreise 1975 in einer Galerie in Neapel einen Horrortrip: Das Publikum durfte mit ihr machen, was es wollte. Die anwesenden Männer reißen ihr die Kleider vom Leib, schlagen und traktieren sie. Schließlich richtet ein Besucher eine geladene Pistole auf sie, erst im letzten Moment interveniert ein anderer Gast und verhindert ihre Exekution. In den folgenden zwölf Jahren arbeitet sie ausschließlich mit dem deutschen Künstler Ulay zusammen. Mit der 1988 international bekannt gewordenen Aktion "The Great Wall Walk", in der beide vom jeweils anderen Ende der chinesischen Mauer sich entgegenliefen um nach drei Monaten aufeinander zu treffen und Hochzeit zu feiern, endet in der Trennung des Künstlerpaares. Während ihrer künstlerischen Karriere nahm Marina Abramovic verschiedene Lehraufträge wahr. Ihre Performance-Klasse der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig trat bei der diesjährigen Biennale in Venedig auf. Sie selbst erregt dort 1997 mit ihrem Beitrag "Balkan Baroque" Aufsehen: Im Gedenken an den Krieg in Jugoslawien schabt sie sechs Tage lang das Fleisch von Rinderknochen, wobei sie klagende Lieder singt. Eine ähnliche Allegorie dokumentiert sie 2001 mit der Videoarbeit "The Hero", die sie ihrem Vater - einem Helden des 2. Weltkrieges - widmet und die bei der aktuellen Ausstellung "Berlin-Moskau" im Martin-Gropius-Bau präsentiert werden wird. Der 1955 in Brasilien geborene Ismael Ivo ist ein internationaler Star des modernen Tanzes und der Choreographie. Er bewegt sich in provokanten Gratwanderungen zwischen Tanztheater und Ausdruckstanz und thematisiert dabei das Tabu des Körpers in der westlichen Welt. Nach mehreren Auszeichnungen in seiner Heimatstadt Sao Paulo und einer Einladung zum Studium an das Alvin Ailey Dance Center in New York lebt Ivo seit 1985 in Europa. Hier arbeitet er hauptsächlich in Berlin, unter anderem mit Johann Kresnik und George Tabori und im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Mehr als zehn Jahre lang war er Künstlerischer Leiter der Internationalen Tanzwochen in Wien. Als erster Brasilianer und als erster Schwarzer übernahm er von 1996 bis 2000 die Leitung des Tanztheaters am Deutschen Nationaltheater in Weimar. Zu seinen großen Erfolgen in den Neunziger Jahren gehören die Inszenierungen "Francis Bacon" und "Othello". Heute lebt Ivo vorwiegend in Berlin, ist aber mit seinen Solostücken wie "Die Zofen" nach Jean Genet oder "Mapplethorpe" auf vielen internationalen Bühnen und Festivals vertreten. Für das Jahr 2005 ist Ismael Ivo zum Künstlerischen Leiter der Tanz-Sparte der Biennale von Venedig ernannt worden. Marina Abramovics und Ismael Ivos offensichtlichste Gemeinsamkeit ist die radikale Arbeit mit dem eigenen Körper. Hier werden sie - trotz der großen Unterschiede zwischen Tanz und Performance - viele ähnliche Erfahrungen austauschen, die von Schmerz, Gewalt, aber auch vom unverhohlenen Pathos, prätentiöser Dramatik und ein den Körperkünstlern inhärentem Narzismus erzählen. In der Interpretation des eigenen Körpers als Medium der Kunst zeigen sich aber auch grundlegende Differenzen zwischen Ivo und Abramovics, bedingt vor allem durch die Grenzüberschreitungen, die Abramovics in ihren Performance Darbietungen vollzieht. Bei ihr ist der Körper nicht mehr Ausdrucksmittel, sondern die "message" selbst. Bei ihrem Zusammentreffen in "Durch die Nacht" werden Ismael Ivo und Marina Abramovic durch die Berliner Nacht ziehen: die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau besuchen, im exklusiven Chinaclub auf dem Dach des Hotel Adlon speisen, mit einem Hubschrauber auf dem Rasen des Olympiastadions landen, ihre Körper von einem Masseur verwöhnen lassen und der Performance einer indischen Tempeltänzerin zuschauen.