Helga Paris »
Fotografie / Photography
Exhibition: 8 Dec 2012 – 27 Jan 2013
Fri 7 Dec 19:00
GfZK Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig
Karl-Tauchnitz-Str. 11
04107 Leipzig
GfZK – Galerie für Zeitgenössische Kunst
Karl-Tauchnitz-Str. 11
04107 Leipzig
+49 (0)341-140810
Tue-Fri 14-19 Sat-Sun 12-18
Nach den Ausstellungen „Sibylle Bergemann. Photographien“, „Barbara Klemm. Helldunkel. Fotografien aus Deutschland“ und „Arno Fischer. Fotografie“ setzt das ifa seine monografische Reihe zu deutschen Fotografinnen und Fotografen fort. Die Ausstellung „Helga Paris. Fotografie“ ist die vierte in dieser Reihe.
Den internationalen Auftakt einer langjährigen, weltweiten Tournee bildet im März kommenden Jahres Tbilissi (Tiflis)/ Georgien, wo die Ausstellung im Georgian National Museum/I. Grishashvili Tbilisi History Museum (Caravanserai) gezeigt werden wird.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Hatje Cantz Verlag.
Das Werk von Helga Paris (*1938) nimmt in der deutschen Fotografie eine herausragende Rolle ein. Über die Jahrzehnte hinweg entfaltet es im Wechselspiel zwischen Einzelbild und Serie einen Bilderbogen deutscher Geschichte, der mehr als 30 Jahre umfasst. Mit ebenso strengem wie zärtlichem Blick berichtet Helga Paris vom Leben in jenem Staat, der 1949 in Folge des 2. Weltkriegs als Arbeiter- und Bauernstaat gegründet wurde und östlich der Frontlinie des Kalten Kriegs bis 1989 existierte.
Das Interesse und die Sympathie der Fotografin, die einer Arbeiterfamilie entstammt, gehören dem proletarischen Milieu der Großstadt – der herben, fast surrealen Schönheit der vom Krieg gezeichneten, ehemals bürgerlichen und nun proletarischen Straßenzüge – und ihren Bewohnern, Passanten in den im Grau versinkenden Straßenzügen, Besucher der Eckkneipen gleich nebenan, Verkäuferinnen, Arbeiterinnen und Arbeiter, Müllmännern sowie ihre großen Familien. Doch sind diese Fotografien keine Sozial- oder Milieustudien im klassischen Sinne. »Wiegenehrlich« nennt die Lyrikern Elke Erb die Blicke, die Paris in Bilder zu bannen weiß. Geschult an der Malerei eines Francis Bacon oder Max Beckmann, an Literatur und Theater, schält sie Ansichten des Alltags aus einem nuancenreichen Schwarz-Weiß, das bis in die 1980er-Jahre hinein seine Herkunft aus den Trümmerlandschaften des Nachkriegs nie verleugnet.
Helga Paris interessieren die alltäglichen, mitunter ganz banalen Momente des Bei-sich- und Miteinander-Seins: Haltungen, Blicke, Gesten, Bewegungen, Oberflächenstrukturen und Räume, die von den Umständen, den Geschichten und Erfahrungen der Menschen und Dinge ebenso berichten wie von der Art und Weise, mit diesen Umständen umzugehen.
Auf Reisen, unter anderem nach Siebenbürgen (Volksrepublik Rumänien, heute Rumänien) und Georgien (UdSSR, heute Republik Georgien), nach Wolgograd (Russland) und New York (USA) nähert sich Helga Paris dem Fremden ebenso unvoreingenommen wie ihrer Nachbarschaft, wie den Berliner Jugendlichen, den Arbeiterinnen eines Bekleidungswerks und den Häusern und Gesichtern der mitteldeutschen Industriestadt Halle.
Wenige Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer beginnt für die Fotografin eine Phase der intensiven Auseinandersetzung mit eigenen, frühen Kriegs- und Nachkriegserfahrungen. Im Friedrichshain, einem Ostberliner Stadtpark, der auf Trümmern des Zweiten Weltkriegs errichtet wurde, findet sie Bilder für frühe Ängste und Bedrohungen. An Orten ihrer Kindheit, die aufgrund militärischer Nutzung über fünf Jahrzehnte lang unzugänglich waren, begegnet sie nun, nach dem Abzug der Westgruppen der russischen Streitkräfte Deutschlands den Schemen der Vergangenheit. Nahe des Bahnhofs Rom Termini fotografiert sie – in Erinnerung an Filme des italienischen Nachkriegskinos – junge Männer in militärisch anmutenden Formationen: Der Krieg im nahe gelegenen, ehemaligen Jugoslawien gibt den zeitgenössischen Hintergrund für eine Befragung jugendlich-vitaler männlicher Energie und ihren Potenzialen von Gewalt. In Polen hingegen findet sie, wie zuvor schon auf den Reisen nach Georgien, Bilder, die von vitaler, sinnlicher Lebensfreude und existenzieller Geborgenheit im Kreis von Frauen berichten.
Helga Paris arbeitet, bis auf wenige Ausnahmen, ausschließlich im Eigenauftrag. Ein Markt für Bilder dieser Art existiert in der DDR nicht. Dennoch ist ihr Werk schon zu DDR-Zeiten außerordentlich populär. Helga Paris ist Mitglied der Akademie der Künste und wurde mit dem Hannah-Höch-Preis der Berlinischen Galerie ausgezeichnet.
Mit dieser Ausstellung und der begleitenden Publikation knüpft das ifa an die 2004 im Sprengel Museum Hannover gezeigte Präsentation und an die aus diesem Anlass erschienene Monografie an.